Paula und der kleine Leo

Gestern war mal wieder ein sehr aufregender Tag. Meine Zweibeiner und ich fuhren mit dem Auto in die große Stadt. Ich war schon drauf eingestellt, dass wir uns durch laute, geruchsintensive und ĂŒberfĂŒllte LĂ€den quĂ€len wĂŒrden – und das bei dieser AffenkĂ€lte! Aber nein, dann kam es ganz anders. Wir kamen zu einem Haus, aus dem uns viele Stimmen und herrlichste DĂŒfte entgegenströmten. Die TĂŒr öffnete sich und eine Frau begrĂŒĂŸte uns sehr herzlich – mich ĂŒbrigens auch 😍.

Drin war es kuschelig warm und voller Leute – große und kleine standen herum, quasselten unentweg miteinander und es duftete unglaublich gut nach Keksen, Kaffee und sĂŒĂŸen Kuchen. Hab ich euch schon erzĂ€hlt, dass ich Kekse liebe?

Ich durfte zum GlĂŒck an der Leine bleiben. Das war mir sehr recht, denn die vielen fremden Menschen, GerĂ€usche, GerĂŒche und das unbekannte Haus musste ich erst mal mit allen Sinnen verarbeiten. Ich blieb also ganz nah bei Mutti stehen und schaute mir das bunte Treiben neugierig an. Spannend war das schon! Viele Zweibeiner gingen direkt auf mich zu – vor allem die Tochter des Hauses und ihre Freundinnen – und kraulten mich. Die MĂ€dels waren irgendwie genauso unsicher wie ich, das beruhigte mich etwas. Mutti sprach von „Pubertieren“, was immer das auch sein mag.

Plötzlich entdeckte ich zwischen all den Menschenbeinen eine schnelle Bewegung im Hintergrund. Wuff! Was war denn das? Alle drehten sich zu mir um. „Habt ihr das nicht gesehen?“, schaute ich sie fragend an. „Da ist doch grad so ein kleines Menschlein unter das Sofa gekrochen und tobt da wie wild rum! So was ist doch unerhört!“ Wuff! Wuff!, betonte ich nochmal ganz laut. Der kleine Mensch hörte sofort auf zu toben, mit den Armen und Beinen zu fuchteln und versteckte sich. Na also, dachte ich, der hat sofort kapiert, dass sich das nun wirklich nicht gehört – da versteht mich offensichtlich einer! So respektlos benimmt man sich doch nicht!

Mutti hockte sich zu mir runter und hielt mich fest. Sie fand meine Aktion wohl weniger lustig. „Das ist der kleine Leo“, sagte sie, „der ist noch ganz klein, vor dem brauchst du dich nicht fĂŒrchten!“ Furcht? Ich? Nein, ich hatte keine Angst, aber sein Benehmen fand ich unerhört! So fĂŒhrt sich doch kein normaler Hund auf! „Ja, ich weiß“, gab mir Mutti zu verstehen, „das ist ein kleines Kind, die kennst du noch nicht so gut. Die machen oft komische GerĂ€usche und bewegen sich merkwĂŒrdig, aber das ist völlig in Ordnung! Lass das Gebelle!“

Ihr könnt euch schon denken, dass mich das nicht wirklich zufrieden stellte. Da könnte ja jeder kommen! Wenn ich ihn schon nicht nĂ€her betrachten und stoppen konnte, muss ich ihn doch wenigstens anbellen! Das funktionierte auch hervorragend – bei jedem Beller stoppte er sofort und verkroch sich mit eingeschĂŒchtertem Blick zu seinem Papa. Ich war richtig stolz, dass ich hier fĂŒr Ordnung sorgen konnte!

Mutti war weniger begeistert! Sie kennt mich ganz gut und weiß, dass ich auch Dinge anbelle, die ich in der Menschenwelt (noch) nicht verstehe. Sie nahm die Leine kurz und ging mit mir zu Leo und seinem Vater hin. Er hatte schon ganz schön Respekt vor mir – den hatte ich mir ja schließlich zuvor hart erarbeitet. Mutti sprach ihn an und erzĂ€hlte, dass ich auch noch ein Hundekind sei und bisher noch nicht so vielen Kindergartenkindern aus der NĂ€he begegnen durfte. Sie fragte, ob ich denn mal an seiner Hand schnĂŒffeln dĂŒrfe, damit ich ihn besser kennenlerne und nicht mehr anbelle. Und sie erklĂ€rte ihm, dass ich belle, wenn er sich schnell bewegt, weil mich das erschreckt. Sein Papa zeigte ihm, dass man mich völlig gefahrlos anfassen kann und ich ein superweiches Flauschefell habe. Er war wirklich mutig und so nahmen wir direkt Kontakt miteinander auf. Genau wie ich war er sehr neugierig, aber durch mein schrilles KlĂ€ffen schon ziemlich verschreckt. Hat also sofort kapiert, dass das ihm galt 😜. FĂŒr mich war alles prima, denn jetzt hampelte er ja nicht mehr respektlos rum. Sein Vater fand mich ganz toll und fragte Leo, ob er denn spĂ€ter auch mal einen Hund haben will. „Nein“, kam wie aus der Pistole geschossen zurĂŒck, „ich will lieber eine Katze, die ist nicht so laut!“ Was sagt man nun dazu?

SpĂ€ter saß Leo auf der Couch und eines der MĂ€dchen las ihm vor. Mutti und ich setzten uns davor auf den Fußboden und es störte mich ĂŒberhaupt nicht mehr, dass er ĂŒber mir zappelte und plapperte wĂ€hrend er die Geschichte hörte. Und auch Leo hatte etwas gelernt: Jedesmal, wenn er im Laufe des weiteren Abends in meine NĂ€he kam, schaute er mich kurz an, wurde ganz sanft und lief langsam und ohne Hampelei an mir vorbei! Das hat mich schwer beeindruckt. Als wir uns verabschiedeten, rief er mir mit ganz weicher Stimme hinterher: „Pfiat di, Paula!, und winkte freundlich.

Mutti hat es riesig gefreut, dass es gelungen war, fĂŒr Hund und Kind einen positiven Lerneffekt im Umgang miteinander mitzunehmen. Und ich bin ganz sicher, dass ein Mensch niemals eine so schnelle VerhaltensĂ€nderung bei einem kleinen Zappelphillipp hĂ€tte bewirken können. Ein wirklich guter Start in meine berufliche Karriere als Schul- und Kindergarten-Besuchshund!