Willkommen in der Pubertät, Leo

Die letzten Monate sind wie im Flug vergangen. Kaum ist der kleine Mann bei uns angekommen, ist die Welpenzeit auch schon vorbei! Leo ist jetzt ein gutes halbes Jahr alt und beginnt zu pubertieren! Jetzt fragt Ihr Euch womöglich, woran ich das festmache? Das versuche ich mal zu beschreiben

Körperliche Veränderungen

Seit einigen Wochen hebt Leo beim Pieseln das Bein und beobachtet sehr genau das Verhalten der (vor allem unkastrierten) Rüden in der Nachbarschaft. Er markiert wie ein Weltmeister (wenn man ihn lässt) und beschnuffelt jeden Laternenpfahl, Pfosten, Baum oder Hausecke sehr intensiv und hinterlässt gerne seine Visitenkarte.

Sein Gangbild und auch das Bewegungsmuster ist deutlich gereifter. Es hat nichts mehr vom kleinen Tolpatsch und Welpen. Er trägt seine Ringelrute stets hoch über dem Rücken und richtet sich komplett auf, wenn er etwas beobachtet. Plötzlich ist auch der beherzte Sprung auf die Couch oder das Bett möglich ❤️

Nach den Schneidezähnen fiel heute der letzte Milch-Fangzahn aus. Auch einige bleibende Backenzähne sind schon durchgebrochen. Damit ist ein großer Teil des Zahnwechsels abgeschlossen.

Fangzahn des Milchgebisses

Als kleinster von allen 8 Geschwistern (Geburtsgewicht 180 Gramm!) hinkte Leo stets in Sachen Körpergröße und Gewicht einiges hinterher. Mit 12 Wochen wog er gerade mal 1,8 kg. In den letzten vier Wochen hat er kräftig zugelegt und die 4 kg-Marke geknackt. Das steht ihm sehr gut 👍🏻

Hormonell ist bereits einiges im Umbruch. Er nimmt interessiert zur Kenntnis, dass Paula eine unkastrierte Hündin ist, die demnächst läufig wird. (Wenn wir Pech haben, fällt Paulas Hitze und sein erster großer Testosteronschub zusammen 🥵). Das wird ein Spaß!

Veränderungen im Verhalten gegenüber Paula

Bislang war Paula die Chefin von beiden. Er orientierte sich an ihr, begegnete ihr stets respektvoll und überließ ihr mit großer Selbstverständlichkeit alle Ressourcen. Lag sie im Durchgang, ging er nicht vorbei, hielt Abstand, wenn sie Futter oder Spielzeug hatte und trat seine Eroberungen ohne zu zögern jederzeit ab, wenn sie diese begehrte. Das beginnt sich nun allmählich zu verändern. Längst rückt er nicht mehr alles raus, was er hat, dreht sich weg, versteckt sich in für sie unzugänglichen Ecken oder rettet seine Schätze anderweitig. Es ist keinesfalls ein offener Protest (er riskiert keinen offenen Konflikt), aber er macht deutlich, dass er bestimmte Dinge durchaus für sich beansprucht und nicht bereit ist, diese einfach an sie abzugeben.

Die sozialen Spiele zwischen den beiden werden immer ausgewogener. Sie wechseln deutlicher die Rollen, tauschen die Positionen, er wächst in seiner körperlichen und mentalen Präsenz, probiert vieles aus, wagt auch mal im Spiel den Widerstand. Sie nimmt ihn wesentlich ernster, behandelt ihn mit deutlich weniger Nachsicht und Großmut, fordert ihn mehr heraus. Immer öfter beginnt auch sie mit Spielaufforderungen, auf die er auch längst nicht immer eingeht.

Bei der Fütterung wollte Paula immer seinen Napf kontrollieren und ggf. leeren. Das fragt sie nun kaum noch an, verlässt sofort die Küche, wenn sie fertig ist mit Fressen und versucht auch nur noch selten, in unbeobachteten Momenten seine Schüssel zu leeren. Ich bin nicht sicher, ob dies auf seine Pubertät oder ihre Akzeptanz unserer Hausregeln (fremde Näpfe sind tabu!) zurückzuführen ist. Ich finde es zumindest bemerkenswert!

Veränderungen im Verhalten gegenüber seinen Menschen

Unterwegs auf unseren Gassigängen war Leo bislang stets sehr kooperativ, entfernte sich nie weit von mir und war jederzeit ansprechbar. Er folgte uns problemlos, achtete darauf, hinter oder maximal neben uns zu laufen und kam stets freudig angeflitzt, wenn wir seinen Namen riefen. Er lief meist ohne Leine. Das war einmal 🥵!!!

Letzte Woche flitzte er erstmals ohne zu Zögern seitlich los, weil er etwa 50 Meter weiter einen Hund gesichtet hatte (unerlaubtes Entfernen vom Rudel). Kein Rufen, Schimpfen oder Korrektur konnte ihn stoppen. Erst als er feststellte, dass der Hund erstens recht groß und zweitens null an ihm interessiert war, kam er freiwillig zurück! Das zeigt, dass er nun eigene Entscheidungen treffen möchte und nicht mehr alle Vorgaben von uns widerspruchslos akzeptiert. Damit gefährdet er jedoch nicht nur sich selbst, sondern auch die Sicherheit des Rudel.
Ab sofort bleibt also die Leine dran sobald andere Hunde in Sichtweite sind. Er ist noch viel zu jung und unerfahren, um Gefahren realistisch abschätzen zu können.

Der kleine Schlawiner

Gestern auf dem Heimweg liefen er und Paula auf unserer Stammstrecke wie immer ohne Leine neben mir. Als ich mich nach ihm umdrehte, war da plötzlich kein Hund mehr, auch nirgendwo sonst war er zu sehen… mein Puls stieg, ich rief mehrmals, pfiff, ließ unseren Notfallrückruf vom Stapel …. nichts, kein Leo weit und breit. Paula stand neben mir und schaute ebenso verdutzt wie ich. Wir gingen ein paar Meter zurück, fragten zwei Passanten, ob sie ihn gesehen haben… ich begann schon zu schwitzen … da kam er plötzlich vom benachbarten Bahndamm heruntergeflitzt uns gut gelaunt und völlig entspannt entgegen! Mit der allergrößten Selbstverständlichkeit hatte er einfach entschieden, dass der Duft im Dickicht viel interessanter und wichtiger ist, als sein Rudel. Das geht natürlich gar nicht! Ab sofort ist also auch hier die Leine dran, bzw. ich muss ihn genauer im Blick behalten, damit sich derartige Erfolgserlebnisse (Rückruf ignorieren) für ihn nicht wiederholen.

Zu Hause gab es bislang ganz welpentypisch immer mal wieder entführte Pantoffeln, Socken oder Teile aus der Altpapiertonne, ansonsten fiel Leo nicht weiter auf. In der letzten Zeit häufen sich jedoch Funde, die eindeutig vom Couchtisch stammen: ein zerkauter Kuli oder Bleistift, eine Dose Leckerli, die in der Ecke liegt, auch eine leere Kekstüte lag neulich auf dem Boden! In unserer Anwesenheit hat er zu keiner Zeit zu erkennen gegeben, dass ihn die Dinge auf dem Tisch interessieren. Kaum ist er allein im Raum, steht er offenbar mit allen vier Füßen auf dem niedrigen Tisch! 🤬 Hier müssen wir uns noch was überlegen…

Keck, liebenswert und selbstbewusst

Seit Neustem stellt Leo auch die Regel in Frage, dass er unterwegs hinter uns zu laufen hat. Er fordert geradezu eine klare Grenzziehung ein. Die bekommt er in diesem Fall gerne 🥰. Wer vorne läuft muss auch Entscheidungen treffen können.

Das Aufnehmen von Futter oder Unrat vom Boden war bislang überhaupt kein Thema. Selbst wenn er interessiert daran schnüffelte, genügte eine verbale Korrektor und er lies davon ab. Seit neuestem legt er es richtiggehend darauf an! Er nimmt trotz Korrektur etwas auf und versucht damit ein fröhliches Fangspiel zu inszenieren – heute war es ein Stück Tomate im Park. Das kenne ich nur allzu gut von Paula! Wir werden also in nächster Zeit öfter mal ein paar Stellvertreterübungen machen 😎 Heute etwa hab ich Leckerli auf dem Teppich verteilt und die beiden durften nicht drangehen. 🤷‍♀️ Ich glaub, das Spiel hat ihnen nicht gefallen 😂

Aber keine Sorge, ich will für meine Hunde natürlich nur das Beste. Es geht mir auch nicht um die Tomate oder den geklauten Keks. Es darum, dass ich mich im Ernstfall (Giftköder oder sonstige Gefahren) auf die Gefolgschaft meiner Hunde zu 100 Prozent verlassen können muss. Umgekehrt können meine Hunde in schwierigen Situationen zu 100 Prozent auf meinen Schutz vertrauen. Das üben wir nicht, wenn es drauf ankommt, sondern klären dies in Alltagssituationen. So festige ich meine Stellung als souveräne Hundeführerin, die in der Lage ist, einen kühlen Kopf zu bewahren und die richtigen Entscheidungen im Interesse der Sicherheit jedes einzelnen Hundes zu treffen. Das ist eine der Lektionen, die ich von Paula gelernt habe 🙏🏻♥️🙏🏻

Auch wenn uns die nächsten Wochen und Monate sicherlich weitere Herausforderungen erwarten, sehen wir dem gelassen entgegen. Es ist eine wichtige Zeit für die Entwicklung der kleinen Hundepersönlichkeit und Leo wird davon sehr profitieren. Sicherlich wird es öfters mal heißen „Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht besetzt!“ und wir werden uns die Haare raufen! Aber eines ist sicher: Auch die heftigste Pubertät geht irgendwann einmal zu Ende und dann wird aus der Raupe (dem Pubertier) über Nacht ein wundervoller Schmetterling!